800. Geburtstag von Bahnbrücken grandios gefeiert

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Eine kleine starke Dorfgemeinschaft feiert Geburtstag

Feierlicher Festakt am Samstag, 13. Juli 2019

„Ich habe auf meinen Reisen nur wenige Gemeinden angetroffen, die so arm waren wie Bahnbrücken“, zitierte Landrat Christoph Schnaudigel in seiner Festansprache zum 800. Geburtstag dieses heutigen Stadtteils Kraichtals einen seiner Amstvorgänger als dieser im Jahre 1851 hier zu Besuch war. Hungersnöte, Wirtschaftskrisen und kaum politische Freiheiten trieben die Einwohner nach der gescheiterten Revolution in die Flucht, sodass der Ort zum Beispiel heute freundschaftliche Beziehungen zu einer Siedlung in Südbrasilien pflegt, in der noch immer Badisch gesprochen wird.

Genau diese Armut scheint es aber auch gewesen zu sein, aus der diese Dorfgemeinschaft ihren Zu-sammenhalt entwickelt hat. Auch wenn Schnaudigel, der Hauptredner des Jubiläumsabends im Festzelt bei der Mehrzweckhalle, am Samstag doch etliche geschichtliche Fakten zum Besten gab, so schaffte er es doch immer wieder seine Zuhörer zum Schmunzeln, Lachen oder gar Jubeln zu bringen und hat damit laut Reinhard Richter, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Bahnbrückener Ortvereine, „den Nagel auf den Kopf getroffen“. Grund für den tosenden Beifall waren unter anderem Anekdoten seines bereits erwähnten Amtsvorgängers beim Besuch in Bahnbrücken vor mehr als 200 Jahren. Denn dieser habe nicht nur die Armut in diesem kleinen Ort mit 354 Einwohnern, die in nur 58 Wohngebäuden lebten, festgestellt. Er schaute außerdem nach deren Ursache und fand diese unter anderem in der „mangelnden Sparsamkeit der Einwohner“ oder „dem Verfall des Familienlebens und der Sitten“, schätzte die Menschen hier aber insgesamt als „fleißig und friedlich“ ein. Vom vermeintlichen „Verfall der Sitten“ konnten sich die Gäste am Samstagabend schließlich auch noch selbst überzeugen, als die Tanzgruppe des FSV Bahnbrücken als Piraten mit Säbeln bewaffnet im Festzelt wütete.

Doch bei all den lustigen Erinnerungen an die Dorfgeschichte streute der Landrat auch Momente zum Nachdenken ein. So waren von den 354 Einwohnern im Jahre 1851 352 evangelisch und nur zwei katholisch. Der Pfarrer jedoch, der aus dem Nachbarort Gochsheim kam, war katholisch, was heutzutage, in Zeiten schwindender Christen, möglicherweise auch ein Modell für die Zukunft sein könne. Insgesamt sollten diese Erinnerungen wieder einmal zeigen wie gut es uns eigentlich gehe, sagte Schnaudigel. „Wir haben immerhin schon 70 Jahre ohne Krieg – das war früher undenkbar – und genießen große Freiheiten. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen!“, appellierte er zuletzt.

Starke Dorfgemeinschaft gelobt

Wie ein roten Faden zog sich neben der immer wiederkehrenden historischen Anekdoten der starke Zusammenhalt sowie das ehrenamtliche Engagement der Dorfgemeinschaft durch den Jubiläumsabend, sodass zum Beispiel Andrea Schwarz, Landtagsabgeordnete der Grünen, Grüße des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ausrichten durfte, die wohlwollend im Publikum aufgenommen wurden. „Wenn man auf irgendeine Veranstaltung geht, dann fragt er immer: ‚Wer richtet’s aus? D’Vereine?‘ … und dann muss ich immer Grüße ausrichten“, schmunzelte die Politikerin. „Ich war geplättet und überrascht als ich in dieses riesige Festzelt kam – ich wusste ja, wie viele Einwohner Bahnbrücken hat. Herr Hintermayer, Sie können stolz sein auf diesen Ortsteil. Dieser Spirit sollte über das ganze Land verteilt werden – dann müssten wir uns keine Sorgen machen“, schwärmte sie in ihrer Rede.

Ob von Bürgermeister Ulrich Hintermayer, der als Geburtstagsgeschenk einen Scheck in Höhe von 1000 Euro mitbrachte, seinem Stellvertreter Alfred Richter, Landtagsabgeordnetem Joachim Kößler, oder Helmut Thomaier, der durch das Programm des Abends führte – die Worte hatten stets den selben Hintergrund: Es ist außergewöhnlich, wie stark die Bahnbrückener Dorfgemeinschaft zusammenhält und ehrenamtlich anpackt, wenn es etwas anzupacken gibt. So wurde zum Beispiel die heutige Eventlocation „Alte Kelter“, die laut Landrat Schnaudigel sogar im Bildband des Landkreises als besonderes Ausstellungsstück Kraichtals abgelichtet ist und für die die Dorfgemeinschaft aktuell kämpft, in den 70er Jahren in Eigeninitiative wiederaufgebaut. Und auch bei der Aussegnungshalle, der Grillhütte Lehmgrube sowie der 2010 eröffneten Mehrzweckhalle legten die Bewohner kräftig Hand an, um etwas in ihrem Ort zu verwirklichen.

Umrahmt wurden diese Grußworte und Glückwünsche nicht nur von der bereits erwähnten Tanzgruppe des FSV Bahnbrücken, sondern darüber hinaus vom Posaunenchor unter der Leitung von Frieder Gabriel sowie vom Männergesangverein und den „Melodivas“ unter der Leitung von Markus Widdermann. Und musikalisch fand der Abend schließlich auch seinen Ausklang, als der gebürtige Kraichtaler Schlagersänger Christian Engel im Festzelt für Stimmung sorgte.

Impressionen des Bunten Abends, 13. Juli 2019

Rocknacht, Verbandschortag und Fußballturnier

Nicht nur am Samstagabend, sondern gleich vier Tage lang feierte der kleine Stadtteil sein besonderes Jubiläum. Mit einer Rocknacht, am 12. Juli 2019, im Festzelt hatte das Jugendhaus Bahnbrücken das Festwochenende eröffnet. Die drei Bands „Blame the Duck“, „Elfriede’s Journey“ und „neun.live“ sangen zunächst unermüdlich gegen den auf das Festzelt herabprasselnden Regen an, bis das Gewitter vorbeigezogen war und immer mehr Partygäste in das Festzelt strömten. „Uns hat es mega Spaß gemacht, hier in Bahnbrücken zu spielen. Die Stimmung war super und das Festzelt trotz Platzregen voll“, sagte Rapper „Cross“ von neun.live, die mit deutschsprachigen Funk, Rock, HipHop und Pop Songs, Bläsersatz und mehr-stimmigem Background-Gesang aus der Masse herausstechen.

Beste Stimmung beim Rockfestival, 12. Juli 2019

Bevor das lange Festwochenende am Montagabend mit einem Fußballturnier der AH-Mannschaften und Unterhaltungsmusik mit Gaudi Harry seinen Ausklang fand, wartete am Sonntag ein weiteres Highlight. Rund 1000 Sängerinnen und Sänger aus dem Kraichgau waren zum 129. Verbandschortag nach Bahnbrücken gekommen, um mit ihren 23 Chören im Wettbewerb anzutreten. Verkündet wurden die Prädikate dann allerdings erst nach dem Festumzug der Chöre, der angeführt von Schleppern und Traktoren sowie den Bahnbrückener Vereinen mit Ehrengästen durch den festlich geschmückten Ort zog. Und während der Musikverein Zaisenhausen im Anschluss für Unterhaltung sorgte, konnten sich die Kinder beim Mitmachprogramm der Jugendfeuerwehr vergnügen.

Verbandschortag am 14. Juli 2019

Feierlicher Festumzug, 14. Juli 2019

Verleihung der Prädikate und großartige Jubiläumsfeier

Ausgelassene Stimmung beim Festausklang am 15. Juli 2019

Auch nach dem Ende des großen Festwochenendes setzt sich das Jubiläum des Stadtteils noch fort. Wer die Geschichte Bahnbrückens noch etwas genauer nachverfolgen möchte, der kann noch bis zum November immer sonntags zwischen 13 und 18 Uhr eine Ausstellung im Ebersteinsaal des Graf-Eberstein-Schlosses Gochsheim besichtigen. Der Bahnbrückener Sammler Eckard Kolb hat dort Gegenstände aus Verein, Haushalt, Kirche, Schule und Kriegszeiten zusammengetragen.

Bericht Natascha Becker,
Bilder Manuel Metzinger

Sehenswerte Ausstellung im Schloss Gochsheim